Konsch alias Konrad Hochgruber
Bei den Pfadfindern von 1973 bis ca. 1990
Ich weiß noch, dass auf meinem ersten Lager keinen Schlafsack hatte und deshalb einfach zwei Decken mitgenommen hatte. Auch das ging. Bei den Pfadfindern ging es immer irgendwie.
Ich bin acht Jahren zu den Pfadfindern gekommen. Wir waren eine relativ große Gruppe. Mein erster Leiter war Georg Großrubatscher, anschließend Erich Winkler und dann Hannes Huber in der Pfadfinderstufe. Dieser war mehr ein Kollege als ein Leiter im klassischen Sinn. In dieser Zeit wurde es für uns auch spannender und herausfordernder. Da haben wir dann auch spannendere und größere Ausflüge unternommen. Als ich in die Roverrunde kam war unsere Clique – alle aus Dietenheim – relativ stark vertreten. Da ergab sich für uns die Idee in Dietenheim eine Siedlung zu gründen. Eine Siedlung auch deswegen, damit die gesamte Struktur wie Zelte und anderes Material nicht aufgebaut werden musste. Wir waren damals in der Pfarrgruppe in Dietenheim tätig und haben dann einfach dort Pfadfinder gemacht. Stamm Bruneck war zur damaligen Zeit ziemlich groß und hatte zeitweise über 100 Mitglieder. Wir in Dietenheim hatten daher keine Werbeprobleme und so hatten wir auch bald zwei Gruppen mit jeweils 15 Leuten. Die Leiterrunde funktionierte damals super, und wir waren auch sehr aktiv. Das kommt sicher daher, dass wir alle Kollegen waren. Das bedeutete, dass niemand seine Freizeit „verschwendete“, also es nachher bereute etwas für den Verein gemacht zu haben an Stelle von sonst was. Wir waren ein Kollegenkreis, der eben seine Freizeit gemeinsam bei den Pfadfindern verbrachte anstelle von anderen Aktivitäten. Daher funktionierte das ganz gut. Lager sind wir aber immer gemeinsam mit Stamm Bruneck gefahren. Wir waren sehr stark miteinander verbunden. Das Lager organisieren war immer ein organisatorisch sehr großer Aufwand, besonders die Logistik – wie man sich bei einem Stamm in der Größe vorstellen kann.
Damals unterschieden wir uns immer etwas von den anderen Stämmen. Wir waren immer so ein Bisschen, naja, ich würde sagen die Hardliner in Südtirol. Ich erinnere mich an ein Lager, wo das sehr deutlich sichtbar wurde. Durch Zufall waren wir und ein anderer Stamm auf demselben Lagerplatz. Das war ein ziemlich großer Lagerplatz und deswegen waren wir uns auch nicht im Weg. Du musst dir das so vorstellen, dass es trotzdem zwei getrennte Lager waren, nur nebeneinander. Nun ja, auf diesem Platz konnte man die beiden Lager sehr klar voneinander unterscheiden. Bei uns gab es damals einfach viel mehr Disziplin. Wir standen eigentlich immer sehr früh auf, und hatten einen richtigen Apell am Morgen. Apell bedeutete alle herausgeputzt in Kluft und es wurde der bevorstehende Tag besprochen. Irgendwie war es ein bisschen militärisch. Irgendwann am morgen gab es dann auch die Zeltkontrolle und dann eben Programm. Darin unterschied sich auch unser Lager vom Nachbarlager. Die anderen hatten nämlich kein fixes Programm, sondern entschieden am Morgen was gemacht werden sollte. Sie hatten auch im Prinzip keine Ordnung. Das Lager war einfach lahm. Ein Weicheierlager. Und wir eben auf der anderen Seite hatten ein Lager, bei dem viel Wert auf Disziplin gelegt wurde. Vor allem durch die Disziplin unterschieden wir uns von den anderen Stämmen. Die Brunecker waren damals die Harten, rauen. Das war aber keine Absicht, wir wollten dieses Image nicht aufbauen. Es gibt vielleicht zwei Erklärungen dafür:
Eine erste Erklärung könnte sein, dass wir keine pädagogische Ausbildung hatten. Zur damaligen Zeit war ja ein großer Hype im Bereich der Pädagogik zu finden. Da war gerade die antiautoritäre Erziehung „in“. Heute ist man von dem ja auch wieder abgerückt. Aber damals war das eben wirklich in und wurde sicher in Stämmen, wo Leute waren, die eben pädagogisch gebildet waren auch umgesetzt. An uns ging das damals einfach vorbei. Wir hatten in unserer Leiterrunde ja keinen Pädagogen. Wir waren ein Freundeskreis, der eben eine Freude an der Arbeit als Leiter hatte. Ich habe damals auch viel gelesen. Wir haben uns ja auch den Großteil selbst entwickelt. Wir mussten uns Methoden und Spiele selbst besorgen. Ich habe mir einfach Bücher besorgt und das was mir gut darin gefiel übernommen, wobei wir auch einfach ausprobierten. Man könnte also sagen, dass unsere etwas andere Arbeitsweise einfach daher kam, dass wir uns wo anders Inspiration holten.
Eine zweite Erklärung könnte auch die Freundschaft mit den Pfadfindern aus Kiel sein. Von denen haben wir versucht viel zu übernehmen, allerdings waren wir im Vergleich zu denen Weicheier. Bei denen waren auch einige ältere Leiter, vielleicht auch mit militärischem Hintergrund. Da herrschte eine ganz andere Disziplin. Bei denen dauerte ein Lager auch meist fast ein Monat. Die machten 14 Tage Lager und gingen dann 14 Tage hiken. Interessanterweise hatten die auch kaum persönliche Sachen mit auf Lager. Die hatten vielleicht zwei Kluften mit, eine kurze Hose und Bergschuhe und ein paar Socken und Wäsche zum wechseln. Die Mädels bei denen trugen immer Röcke, da gab es keine persönlichen Klamotten, nicht mal eine Jacke. Wir haben damals mal eine Delegation auf einen Gletscher geführt. Die hatten einfach nicht mehr an zu ziehen. Die waren einfach „hart“ im nehmen. Sie waren auch immer sehr gut auf den jeweiligen Lagerort vorbereitet. Die Vorbereitung ging so weit, dass sie sich sogar das einheimische Liedgut aneigneten. Die konnten alle Strophen von „Wohl ist die Welt so groß und weit“, und sangen die auch mit voller Lautstärke am Lager, während wir nach der ersten oder maximal zweiten Strophe schon aufgeben mussten. Naja, das hatte schon einen Einfluss auf uns.
Irgendwann so um 1990 hatte ich dann irgendwie keine Lust mehr und auch keine Zeit mehr für die Pfadfinder. Die Schauspielerie war da dann einfach wichtiger und dann bin ich ja nach Innsbruck gegangen. Ich war einfach ausgearbeitet. Ich habe ja praktisch in Dietenheim zwei Generationen von Leiterrunden miterlebt und aufgebaut. Meine damaligen Kollegen, mit denen ich angefangen hatte waren ja alle weg. Und irgendwann war dann eben der Altersunterschied zwischen mir und den Jungen Leitern so groß, dass wir auch nicht mehr den Umgang miteinander hatten, da hat es dann einfach keinen Spaß mehr gemacht. Dann hatte ich noch ein zwei spezielle Einsätze weil der damaligen Leiterrunde das Personal fehlte. Ich habe dann die Küche übernommen, weil ich die Kinder nicht mehr kannte, und dann wollte ich eben nicht die Lagerleitung haben. Überhaupt war ich ziemlich oft Lagerleiter. Da hatten sich die Brunecker nie aufgedrängt. Sieht man auch wie verbunden unsere damaligen Leiterrunden waren.
Ich erinnere mich noch an zwei nette Geschichten, wie ich Leiter war. Einmal bei der Zeltkontrolle haben wir eine Luftmatratze hoch gehoben, nur um zu sehen, ob auch sauber herausgekehrt wurde, da hörte ich, dass da irgendetwas in der Luftmatratze war. Keine Ahnung was, es hörte sich an wie eine Rassel. Später stellten wir fest, dass da einzelne TIC TAC drinnen waren, in der Hoffnung wir würden sie nicht finden. Ich würde sagen, dass das eine definitiv innovative Idee war, um Süßigkeiten zu verstecken.
Eine zweite Geschichte war, dass wir auf einemÜberfall waren, und dann eben bis ins Lager vorgedrungen waren. Dann starteten die Kinder auf uns los und wir sind in den Wald abgehauen. Natürlich rannten die Kinder hinter uns her. Irgendwann gaben diese auf, bloß ein Kleiner, wahrscheinlich ein Wölfling hatte das noch nicht so ganz kapiert. Irgendwo im Wald haben wir Überfäller uns dann getroffen und stehen so im Kreis bis wir bemerken, dass sich eben dieser kleine Knirps zu uns in den Kreis gestellt hatte. Offenbar konnte er mit uns beim wegrennen Schritt halten und hatte nicht kapiert, dass er mit der falschen Gruppe mitgelaufen war. Als er eben da so mit uns im Kreis stand, und wir unsere Hauben für ein paar Minuten abnahmen, damit wir wieder Luft bekamen, schien er plötzlich zu realisieren, dass er mit der falschen Gruppe mitgelaufen war und jetzt sozusagen alleine da stand. Im selben Moment wurde er kreidebleich und begann zu heulen. Wir versuchten ihn zwar zu beruhigen, aber es half nichts, da konnten wir ihn mit größter Mühe und Not auf den Lagerplatz zurückbringen. Der hatte vielleicht einen Schock.
Interview: Martin Hofer